Interview mit Corinna
Corinna Schwiegershausen
Alter: 43 (2015)
Beruf: Grafikerin, Journalistin, Fluglehrerin, Flugbegleiterin
Hobbys: Reisen, Fliegen
Fluggerät: Moyes Litespeed 3.5 S
Wann hast Du zu fliegen begonnen und wie alt warst Du da? 1990
Wo hast Du fliegen gelernt?
Flugschule Papillon auf der Wasserkuppe bei Uli Kroll, DFC Weser in Bremen (Peter Obermeier, Stefan Hamann, Jörg Papenhausen) und 1. Odenwälder DFC (besonders Peter Kaltenhofer hat mich sehr unterstützt, von Walter Schurr habe ich viel beim Streckenfliegen gelernt)
Was war Dein größter Kindheitstraum?
Abenteuer in der ganzen Welt zu erleben.
Wie bist Du zum Fliegen gekommen?
Durch meinen Vater und Familienurlaub auf der Wasserkuppe - wandern ist so langweilig zweidimensional, also mußte ich einfach in die Luft!
Ist Fliegen ein teures Hobby?
Nur die Anschaffung der Ausrüstung am Anfang ist teuer, danach sind Drachen- und Gleitschirmfliegen die günstigsten Möglichkeiten, um in die Luft zu kommen.
Wie bist Du zum Wettbewerbssport gekommen?
Die damalige deutsche Meisterin Birgit Zang (damals Slembeck) hat mich mit zu meiner ersten Hessenmeisterschaft genommen, und dort wurde ich so herzlich von allen aufgenommen, bekam viel Hilfe und gute Tipps zum Fliegen, daß ich weitermachen wollte. Mein Verein, der Odenwälder DFC, der hessische Luftsportbund (dank Kurt Luther) und der DHV haben meine Wettbewerbsfliegerei von Anfang an unterstützt. Für mich war es ein großer Traum, irgendwann auch mal so elegant durch die Lüfte segeln zu können wie mein Held aus der Rhön, Frank Wittschorek. Da nicht so viele Frauen diesen Sport betreiben, konnte ich mich bald für das Nationalteam qualifizieren und durfte Weltmeisterschaften mitfliegen. Das Fliegen in vielen Ländern war ein großer Reiz für mich, aber auch das Lernen von den besten Piloten.
Hast Du ein spezielles Fitness- bzw. Trainingsprogramm oder denkst Du dass körperliche Fitness nicht so wichtig im Flugsport ist?
Besonders Ausdauer halte ich für sehr wichtig in unserem Sport, auch Rücken-/Schulter- und Armmuskulatur müssen intakt sein. Gerade für mich Leichtgewicht ist es von großem Nutzen, wenn schon am Saisonbeginn die richtigen Muskeln an Ort und Stelle sitzen, damit ich nicht wie ein Blatt durch den Wind schieße. Also trainiere ich im Winter im Kraftraum, gehe Rudern oder Schwimmen, wenn sich das irgendwo anbietet, und versuche auch im Winter so oft wie möglich zum Fliegen zu kommen.
Was ist Deiner Meinung nach wichtig für fliegerische Erfolge (Training, Equipment, Zeit...)?
Gute Freunde, mit denen man gerne zum Fliegen geht und überall in der Welt Spaß hat! Und noch ein paar andere Punkte:
Zunächst ist die richtige Einstellung zur Sache wichtig für den Erfolg: Ich liebe meinen Sport und alles, was dazugehört (naja bis auf die Schlepperei zum Startplatz), und möchte soviel Zeit wie möglich in der Luft verbringen, egal mit welchem Fluggerät. Dabei bin ich sehr selbstkritisch und nehme mich nicht allzu wichtig, um von jedem Flug etwas zu lernen, das ich dann beim nächsten Mal besser machen kann. Es ist wichtig, sich nicht zu überfordern, vorsichtig zu sein und zu erkennen, wie fragil das Leben ist. Um weiterhin Spaß in der Luft zu haben, muß ich am Ende eines Fluges wieder heile auf der Erde landen.
Mir hat es viel geholfen, den guten Piloten Löcher in den Bauch zu fragen. Wenn man nicht gerade direkt vorm Start fragt, bekommt man meistens bereitwillig Auskunft und Hilfe von den "Cracks".
Die Theorie interessiert mich auch brennend, ich lese Bücher über Fliegerei, Meteorologie, kenne mein Galileo in- und auswendig, es ist das Zusammenspiel von Technik, Ausrüstung, fliegerischem Können und der richtigen Wetternase, was einen erfolgreich Fliegen läßt. Am allerwichtigsten ist der Spaß dabei!
Hast Du Tipps für den richtigen Startzeitpunkt bei Wettbewerben, nach was entscheidest Du?
Ich achte zunächst auf andere Flieger, die schon früher gestartet sind, um zu sehen, wie gut die Thermik schon ist. Dann achte ich auf der Abstand der Thermik, um nicht gerade in ein "Loch" zu starten und schon am Start Streß zu haben. Schließlich achte ich noch darauf, daß ich nicht mit einem Riesenpulk zusammenstarte, ich bin gerne der "Early Bird", um mich in aller Ruhe alleine in der Luft auf den Tag einstellen zu können.
Wie zentrierst Du um maximales Steigen zu haben?
Nase ins stärkste Steigen, gut nachzentrieren und mit Minimalgeschwindigkeit Richtung Wolke beamen lassen!
Nützt Du immer alle Daten von Vario und GPS aus oder fliegst Du oft auch nach Gefühl?
Ich kenne auch meine Bordelektronik sehr gut und nutze alle Daten, die mir zur Verfügung stehen, in Streßsituationen hauptsächlich akkustisch, wenn ich ein wenig Zeit habe auch optisch. Die Entscheidung der richtigen Linie und die Thermiksuche erfolgt aber oft in Zusammenarbeit von Gefühl und Fluginstrumenten.
Was war Deine weiteste Strecke?
368 km zusammen mit Tomas Suchanek im Tandem - Weltrekord! Alleine war das weiteste 240 km, auch in Australien geflogen.
Weißt Du immer wo im Wettbewerb Deine Konkurrenz fliegt und orientierst Du Dich nach ihnen?
Ich beobachte andere Piloten in der Luft, um möglichst die ideale Linie fliegen zu können, aber ich bin kein "Hinterherflieger", ich verlasse auch als erste Pulks und fliege meine eigenen Ideen. Das hat mich zwar schon häufig gegroundet, aber manchmal habe ich auf diese Weise viel gewonnen, zum Beispiel die Hessenmeisterschaft und die Weltmeisterschaft.
Was ist Dein größtes Ziel fliegerisch als auch im sonstigen Leben?
Aus jedem Tag das beste zu machen - und möglichst oft zum Fliegen zu kommen.
Was ist Dir am wichtigsten im Leben bzw. Dein größter Wunsch?
Freiheit, Liebe, Gesundheit für alle, die mir viel bedeuten.
Was würdest Du Dir in der Drachenentwicklung wünschen?
Einen kleinen, leichten, sicheren Hochleister, der dem größeren Modell in Leistung und Handling gleich ist.
Fliegst Du gerne in Greifenburg?
Ich habe dort Streckenfliegen gelernt und kenne Greifenburg als das wetterzuverlässigste Gelände der Alpen. Das Fliegen ist dank vieler Landewiesen und breiter Täler streßfrei, trotzdem läßt das Gelände abwechslungsreiche Strecken zu. Die Leute aus Greifenburg und Berg heißen einen immer herzlich willkommen und tun viel für uns Flieger, allein der neue Start war eine tolle Aktion! Geduldig und freundlich gibt Flugwirt Wolfgang Sattlegger immer die besten Tipps vor jedem Start- ja, ich mag Greifenburg wirklich sehr.
Denkst Du eine Frauen-WM ist eine gute Sache oder würdest Du Dich lieber mit den Männern messen?
Ich finde es wichtig, daß wir eine getrennte WM behalten. Abgesehen vom großen Werbeeffekt für unseren Sport- ein reiner Frauenwettbewerb ist viel attraktiver für die Medien als ein gemischter Wettkampf mit einigen wenigen Mädels - ist es für mich persönlich auch schön, wenn ich ganz vorne stehe. Bei einer EM kann ich als erste Frau doch immer nur höchstens unter die Top 20 fliegen, wenn es sehr gut läuft, und das macht einen nicht wirklich zufrieden. Ich sehe die großen Nachteile durch unser geringeres Gewicht und weniger Kraft und finde es fair, wenn ich wenigstens einmal alle zwei Jahre ausschließlich gegen Meinesgleichen fliegen darf um zu sehen, wie gut ich wirklich bin. Natürlich fliege ich auch weiterhin gemischte Wettbewerbe, dort gibt es viel zu lernen, aber es ist schon frustrierend, wenn die meisten anderen einfach durch ihr höheres Körpergewicht bei Querungen davongleiten können... ich werde mich nur mit den wenigsten Männern wirklich fair messen können.
Dein Tipp für die Einzelwertung?
Kari Castle (USA) fliegt professionell und hat gute Chancen auf einen weiteren Titel, aber auch die Russin Natalia Khamlova sowie die Britin Kathleen Rigg (wenn sie aus der Babypause wieder zurück ist) sind hoch einzuschätzen. Im letzten Jahr hat mich außerdem die österreichische Newcomerin Michaela Lindorfer positiv überrascht, sie hat sicher Außenseiterchancen. Und ich habe wohl die meisten Flugstunden und Kilometer in Greifenburg und zähle damit sicher auch zu den heißen Titelanwärterinnen.
[Quelle: DHV]
...